Das heutige Beitragsbild zeigt eine aus einem Baumstamm geschlagene Couch, die sich auf dem Gratlspitz auf 1899m Seehöhe befindet. Die sogenannte „Gratlspitze“ ist Teil der Kitzbühler Alpen und liegt zwischen den Hochtälern Wildschönau und Alpbachtal. Die Tiroler Bergwelt ist unfassbar faszinierend! Mir bot sich letzten Sommer die Gelegenheit, während eines beruflichen Aufenthalts in Alpbach einen Abstecher auf einen der Gipfel zu unternehmen, um ein paar Bilder im Sonnenuntergang zu machen. Eines Nachmittags machte ich mich mit meiner Ausrüstung auf den Weg und plante, vor dem Sonnenuntergang auf dem Gipfel anzukommen.
Zum Glück plante ich genügend Zeit dafür ein, denn aus den ursprünglich veranschlagten 1,5 Stunden Wegzeit wurden mehr als 2 Stunden, da mich das Gewicht meiner Ausrüstung extrem verlangsamte. Daher gleich ein erster Tipp: wenn ihr vorhabt, mit eurer Kameraausrüstung einen Berg hochzuwandern, überlegt euch genau, was ihr mitnehmen wollt. Statt mein leichtes Reisestativ mitzunehmen, wählte ich mein 4kg schweres Vanguard Alta Pro Stativ, das mich zusammen mit dem Rest der Ausrüstung (eine Liste findet ihr am Ende des Artikels) an meine Grenzen brachte.
Fotografieren im Gegenlicht
Die obige Aufnahme wurde kurz vor dem Sonnenuntergang gemacht, daher lag mein Hauptmotiv, die Holzcouch, vor einer extrem hellen Bergwelt-Kulisse. Unsere Augen sind jeglicher Technik überlegen – wir erkennen die Couch auf dem sonnigen Hügel im Vordergrund mit all den goldenen Lichtflecken sowie die umrahmende endlose Berglandschaft und den blauen Himmel im Hintergrund. In diesem Augenblick nehmen wir diese Landschaft als extrem schön und ausgeglichen wahr. Ein Kamera-Sensor kann das nicht so perfekt. Bei Szenen mit derart unterschiedlichen Dynamikbereichen (heller Hintergrund und dunkler Vordergrund) werden Teile des Bildes zu hell oder zu dunkel abgebildet werden. Möchte ich erreichen, dass die Couch im dunkleren Vordergrund ausgewogen und hell genug abgebildet wird, wähle ich im manuellen Modus beispielsweise eine längere Verschlusszeit. Dadurch wird jedoch der helle Hintergrund in dieser Szene dazu tendieren, etwas auszubleichen. Wähle ich eine kürzere Verschlusszeit, um nicht zuviel Licht auf den Sensor fallen zu lassen, dann wird die Bergwelt weniger hell und damit natürlicher abgebildet – aber der ohnehin schon sehr dunkle Vordergrund läuft Gefahr ins Schwarze abzusinken bzw. zur Silhouette zu werden. Wer mehr über den manuellen Modus erfahren möchte, dem empfehle ich den Artikel DSLR-QUICKTIPP #3 – EINE KURZE GESCHICHTE ÜBER DAS VERLASSEN DER KOMFORTZONE).

Die langsamere Verschlusszeit hellt den Vordergrund auf, der Hintergrund bleicht aus.

Die kürzere Verschlusszeit stellt den Hintergrund optimal dar, aber der Vordergrund wird zur Silhouette.
Ich wollte also beide Dynamikbereiche in einem Bild zusammenfassen und eine typische High-Dynamic-Range (HDR) Aufnahme machen. Der Trick: ich machte einfach 2 Aufnahmen, die ich nachher kombinieren würde. Nachdem ich den Schärfepunkt auf die Couch gelegt hatte, machte ich ein Bild vom Hintergrund (Berge) und ein Bild mit längerer Verschlusszeit vom Vordergrund (Couch). Dafür verwendete ich den praktischen „Live-View“ Modus der Kamera, durch den ich während der Einstellung meiner Verschlusszeit sehen konnte, wie das Ergebnisbild dann aussehen würde. Die Kamera hatte ich auf meinem Stativ montiert, denn es ist wichtig, dass beide Aufnahmen den exakt gleichen Bildausschnitt zeigen, wenn man die Bilder nachher kombinieren möchte. Mein schweres Stativ machte sich also am Ende doch noch bezahlt 😉 .

Mittels Ebenen-Maske wurden beide Belichtungen in Photoshop kombiniert.
Die Bilder wollte ich später am Computer mittels Photoshop übereinander legen und die jeweils optimalen Bildteile miteinander kombinieren (das kann man Photoshop übrigens auch automatisch machen lassen, über den Dialog „Datei/Automatisieren/Zu HDR Pro zusammenfügen“).
Damit war das Problem mit dem Gegenlicht gelöst. Jetzt gab es noch ein Weiteres mit der tiefstehenden Sonne.
Vermeidung von Sonnenreflexionen
Das zweite Problem entstand durch die niedrige Position der Sonne. Auf einigen Aufnahmen dieses Motivs waren starke Sonnenreflexionen zu sehen, die durch das ins Objektiv eintretende Streulicht entstanden waren.

Reflexionen entstehen, wenn die Sonnenstrahlen das Objektiv direkt erreichen.
Auch hier macht man zwei Bilder der Szene. Der Unterschied ist aber, dass man beim zweiten Bild den Finger vor das Objekt hält – und zwar direkt vor die Sonne. Dadurch verschwinden die Reflexionen in der Aufnahme.

Finger vor die Linse – und weg sind die Reflexionen.
In der Nachbearbeitung öffnet man diese Bilder dann in Photoshop auf 2 Ebenen übereinander und ordnet die Bildebene mit dem Finger unter der Bildebene mit den Reflexionen an. Anschließend legt man eine weiße Maske auf dem Bild mit den Reflexionen an und malt mit einem schwarzen weichen Pinsel die Stellen mit den Reflexionen aus dem Bild heraus. Wer mehr über die Arbeit mit Ebenen-Masken erfahren möchte, sollte den Artikel PHOTOSHOP-QUICKTIPP #1 – MIT EBENEN-MASKEN ZUM POWERBILD lesen.
Das Ergebnisbild ist eine Kombination aus all diesen Einzelbildern. Während der Aufnahme kam es immer wieder vor, dass sich kleine Wolken so vor die Sonne schoben, dass ich auf meiner Position im Schatten stand und dadurch kein Problem mit den Reflexionen hatte. So konzentrierte ich mich zuerst auf das Fotografieren von Vordergrund und Hintergrund. Danach verschwanden die Wolken von meiner Position, und der Hügel mit der Couch lag im perfekten Sonnenlicht – und das Streulicht in meiner Linse. Daher entschloss ich mich, die Vordergrundszene extra nochmals mittels Fingertrick abzulichten, um danach die am besten beleuchteten Stellen des Hügels in das Ergebnisbild mit hineinzunehmen.
Mit ist bewusst, dass der heutige Artikel eigentlich eine Mischung aus Fotografieren und Bildretusche ist. Trotzdem habe ich versucht, mich mehr auf den Kamera-Teil zu konzentrieren. Der Photoshop-Teil enthält aus meiner Sicht einige Teile für Fortgeschrittene bzw. Personen, die bereits mit Photoshop arbeiten. Solltet ihr also zu speziellen Punkten, wie etwa dem Teil mit den Ebenen-Masken, Fragen haben, schreibt es in die Kommentare und ich werde sie gerne beantworten.
Ausrüstung im Rucksack
- Kamera: Canon 5D Mark III
- Objektive ink. Sonnenblenden: 16-35mm f/4L IS USM; EF 70-200mm f/2.8 IS II USM
- Fernauslöser: Phottix PH16377 Aion
- Stativ: Vanguard Alta Pro
- Taschenlampe und Stirnlampe (für den Rückweg nach dem Sonnenuntergang)
- Handy
- Feldflasche
- Regenschutz
- Weste
- Haube
- Ersatzakku und Ersatzbatterien

Behind the Scenes

Behind the Scenes
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